Anstellwinkel der Bogenschulter

Udo, der Verstrickte

Heute ist eine spannende Frage aufgekommen, als zwei Schützen mit gleichstarkem Bogen nebeneinander auf 30 Meter geschossen haben. „Warum knickt der Blankbogenschütze, der abgreift, in der Hüfte ein und die Schützin mit einem olympischen Recurve nicht?“

Um diese Frage zu beantworten, ein kleiner Vergleich im Modell und etwas Mathematik.

Modell zur Veranschaulichung

Visierschütze:

  • Nehmen wir an, der Visierschütze steht sauber im T. Der Bogen-Arm steht 90° zur Wirbelsäule (blaue Linien im Modell).
  • Nehmen wir weiter an, der Pfeil x = 75cm liegt parallel zum Bogen-Arm und der Abstand vom Auge zum Pfeil ist y = 11 cm, genau wie der Abstand vom Visierkorn zum Pfeil.
  • Das Visierkorn steht im Gold.

Blankschütze:

  • Der Blankschütze muss, um mit der Pfeilspitze auf das Gold zielen zu können, die Bogenhand um y = 11cm anheben, damit die Pfeilspitze auf der roten Linie (siehe Modell) liegt.
  • Damit der Pfeil auch im Gold einschlägt, muss der Nock auch auf Augenhöhe gebracht werden. Dies hat jedoch wiederum Einfluss auf die Pfeilspitze. Sie kommt etwas tiefer, da der Drehpunkt des Pfeils am Button ist, die Pfeilspitze jedoch ein paar cm vor dem Button steht, was zur Folge hat, dass der Bogen-Arm noch etwas höher genommen werden muss, um wieder im Gold zu stehen.

Rechnung:

  • Misst oder berechnet man nun den Winkel Alpha, um den die Bogenhand angehoben werden musste (tan(Alpha)= 11cm / 75cm), dann kommt man ungefähr auf 9°. Ist der Pfeil kürzer, wird der Winkel sogar noch größer.

Interpretation:

Oliver Haidn beschreibt in seinem Buch „Bogenschießen“ auf Seite 56ff, dass der Winkel des Bogenarms etwa 10° nach oben oder unten Spiel hat, bevor der Schütze in der Hüfte einknicken soll. Wir sind als Blankschütze hier also an einer anatomischen Grenze. Will man als Blankschütze mit Abgreiftechnik also sauber im T stehen (Bogen-Arm 90°) oder hat Einschränkungen in der Schulterbeweglichkeit, empfiehlt es sich, die Hüfte grundsätzlich um die 9° zu beugen.

Der Visierschütze hat den Vorteil, das er das Visier schrittweise verstellen kann und so erst ab einer bestimmten Entfernung an diese 10° Grenze kommt. Das erreichen dieser Grenze ist Abhängig von der Zugkraft des Bogens. Je stärker der Bogen, desto später und langsamer wirkt sich die ballistische Kurve auf den Anstellwinkel des Bogenarms aus.